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Vorschläge zur Besserstellung von Haushalten mit Kindern und Stabilisierung des Sozialsystems

 

 

In der Diskussion sind verschiedene Varianten für eine relative Besserstellung von Menschen mit Kindern, sei es In der Form einer Sonderabgabe für Kinderlose oder verbesserten Rentensprüchen für Mütter.

Es gibt jedoch eine wesentliche, ungerechtfertigte Belastung für Arbeitnehmer mit Kindern, vielleicht nicht ohne weiteres als solche erkennbar, die stattdessen vordringlich abgeschafft bzw. eingeschränkt werden sollten.

Durch nichts gerechtfertigt ist die Belastung der für die Versorgung von Kindern verwendeten Einkommensanteile mit Rentenversicherungsbeiträgen.

Diese Ungerechtigkeit sollte zuerst abgeschafft oder wenigstens eingeschränkt werden. Man könnte die Freistellung des Versorgungsaufwands für Kinder von Beiträgen auch als „Familiensplitting im Rentenbeitrag“ bezeichnen.

Natürlich wäre auch ein Familiensplitting in der Einkommensteuer steuersystematisch angezeigt, aber wegen der wesentlich höheren fiskalischen Wirkung ist dieses sehr schwer durchsetzbar. Eine Freistellung des für die Kinder verwendeten Gehaltsanteils von Rentenbeiträgen würde zudem (fast) allen Arbeitnehmern mit Kindern zu Gute kommen, auch denjenigen mit Einkommen unterhalb des Steuerfreibetrags, weil die Rentenversicherung ab dem ersten Euro des Gehalts Abzüge vornimmt.

 

Ich möchte dies gern näher begründen und beginne mit einem Vergleich verschiedener Einkünfte:

·         Das Kindergeld, das bei einkommensschwachen Haushalten einen größeren Teil des Versorgungsbedarfs deckt, wird ohne Abzug von Rentenbeiträgen ausbezahlt – zu Recht.

·         Ebenso gibt es keine Rentenbeiträge für Leistungen nach SGB II (Hartz 4), auch für den auf die Kinder entfallenden Anteil dieser Leistungen.

·         Bei kinderlosen Haushalten wird zu Recht das gesamte Gehalt (bis zur Bemessungsgrenze) mit Rentenbeiträgen belastet. Das entspricht einerseits dem Leistungsfähigkeitsprinzip, andererseits wird damit eine Rentenhöhe proportional zum gewohnten Lebensstandard gewährleistet.

·         In Haushalten mit Kindern ist es entsprechend gerechtfertigt, den Einkommensanteil zu Rentenbeiträgen heranzuziehen, der für die Deckung des Lebensstandards der Eltern bzw. des alleinerziehenden Elternteils verwendet wird. Dies führt dann ebenfalls zu einer Rentenhöhe, die sich am früheren Lebensstandard bemisst.

·         Kommen wir nun zu dem Einkommensanteil, der in Haushalten mit Kindern für die Versorgung der Kinder und für deren Lebensstandard verwendet wird. Diese Kinder werden später als Erwachsene ihre eigenen Rentenbeiträge leisten und damit Rentenansprüche für ihre eigene Altersversorgung aufbauen. Aus gesellschaftlicher Sicht handelt es sich bei dem Versorgungsaufwand für die Kinder um eine Investition in Humankapital, das sich später durch Beitragsleistungen dieser Generation auszahlt. Versteht man Kinder mehr als Teil des Lebensstandards der Eltern, so fallen doch die entsprechenden Ausgaben weg, wenn die Kinder erwachsen werden, also in der Regel vor dem Renteneintrittsalter der Eltern. Unter dem Gesichtspunkt der Altersversorgung im Verhältnis zum gewohnten Lebensstandard der Eltern werden jedenfalls keine zusätzlichen Rentenbeiträge benötigt.

 

Im Prinzip gibt es drei begründbare Herangehensweisen für den Teil des Einkommens, der für die Versorgung  der Kinder verwendet wird:

 

a)      Erhebung von Rentenbeiträgen und Gutschrift auf dem Rentenkonto der Kinder, also Erwerb von Rentenansprüchen der Kinder im Verhältnis zum gewohnten Lebensstandard;

b)      Erhebung von Rentenbeiträgen und Gutschrift auf dem Rentenkonto der Eltern (gegenwärtige Gesetzeslage) also Erwerb von Rentenansprüchen der Eltern im Verhältnis zu dem bislang für die Kinder eingesetzten Versorgungsbedarf und über den gewohnten Lebensstandard der Eltern hinaus;

c)      Keine Erhebung von Rentenbeiträgen.

Variante a) und b) sind gleichermaßen falsch, weil die jetzigen Kinder als Erwachsene über ein eigenes Einkommen verfügen können und den Eltern bei deren Rentenantritt i.d.R.  nicht mehr auf der Tasche liegen.

Die Wirkung meines Vorschlags möchte ich nun am Beispiel einer Familie mit einem Kind erläutern, dessen Eltern neben dem Kindergeld monatlich (netto) 240 € aus dem eigenem Lohn- bzw. Gehaltseinkommen für den Bedarf des Kindes aufwenden. Das Einkommen liegt noch unter dem Freibetrag der Einkommensteuer. Der Einfachheit halber rechne ich mit einem Beitragssatz von 20% für die Rentenversicherung und weiteren 20% für die übrigen Sozialversicherungen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen jeweils die Hälfte der Beiträge, Sonderfälle wie die Umlagen U1 und U2 sind vernachlässigt. Die Rechnung gilt entsprechend auch für Alleinerziehende.

Nach geltendem Recht ergibt sich folgendes Bild für den für das Kind verwendeten Einkommensteil:

Gesamte Leistung = Arbeitgeber-Aufwand

360 €

Arbeitgeber-Anteil Rentenversicherung

 

30 €

Arbeitgeber-Anteil übrige Sozialversicherung

 

30 €

Gehalt, brutto

300 €

Arbeitnehmer-Anteil Rentenversicherung

 

30 €

Arbeitnehmer-Anteil übrige Sozialversicherung

 

30 €

Nettogehalt (Anteil Versorgung Kind)

 

240 €

Summe Sozialversicherungsbeiträge

 

120 €

 

Um die genannten 240 € netto herauszubekommen (zusätzlich zu dem für den eigenen Bedarf der Eltern verwendeten Einkommen), müssen die Eltern ein (zusätzliches) Bruttoeinkommen von 300 € verdienen. Die paritätisch getragenen Sozialversicherungsbeiträge erreichen eine Höhe von 120 €. Da der Arbeitsgeber davon 60 € Beiträge zahlen muss, beträgt der Arbeitgeber-Aufwand 360 €, der durch entsprechende Arbeitsleistungen der Eltern gedeckt werden muss.

 

Sind diese Abzüge gerechtfertigt?

·         Der größte Anteil der „übrigen Sozialversicherungsbeiträge“ entfällt auf den Krankenkassenbeitrag. Die Krankenversicherung leistet im Grundsatz einkommensunabhängig, und das auch für Arztbesuche der Kinder. Ein Abzug von Krankenkassenbeiträgen von dem Einkommen, das für den Bedarf der Kinder erwirtschaftet wird, ist also systemgerecht.   Hier liegt also keine auffällige familienbezogene Benachteiligung vor.[1]

·         Wenn die Eltern arbeitslos werden, benötigen und erhalten sie entsprechende höhere Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, um den Bedarf der Familien weiterhin halbwegs decken zu können. Auch hier ist also ein Beitrag proportional zum gesamten Einkommen angemessen.

·         In der Pflegeversicherung gibt es bereits einen Zuschlag für Kinderlose, hier besteht insofern kein dringlicher Handlungsbedarf.

·         Im Beispiel werden  60 € der für den Bedarf der Kinder erbrachten Arbeitsleistung an die Rentenversicherung abgeführt  (je 30 € Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil, faktisch aber alles durch die Arbeitsleistung verdient). Dies ist nicht gerechtfertigt und muss geändert werden !

 

Der für die Kinder verwendete Anteil am Familieneinkommen ist je nach Familie unterschiedlich. Bei gleichem Einkommen zweier Familien wird die eine mehr Geld für die Eltern ausgeben, beispielsweise für ein schnelles Auto der Mutter, und die andere mehr für die Kinder, beispielsweise für Klavierstunden des Sohnes. Viele Ausgaben einer Familie sind ja auch nicht eindeutig einzelnen Personen zurechenbar (z.B. gemeinsam genutzte Räume in der Wohnung, Stromverbrauch des Kühlschranks) und ein Teil des Einkommen fließt nicht in den Lebensstandard von Eltern und Kindern, sondern in Ersparnisse. Natürlich muss man im Abgabenrecht eine einheitliche und pauschalierende Vorgehensweise wählen.

Die Ausgaben für die Lebenshaltung je Kind liegen im Allgemeinen nicht über denen je Elternteil. Bei einem Paar mit einem Kind werden also nur selten mehr als ein Drittel der gesamten Ausgaben für die Lebenshaltung auf das Kind entfallen (plausibel wäre ein höherer Anteil am ehesten in Gebieten mit hohen Mietpreisen, wenn sich die Eltern ein Schlafzimmer teilen, während das Kind ein eigenes Zimmer hat, und das Einkommen nicht für ein Auto der Eltern recht).

Allgemein anerkannte Maßstäbe zur Verteilung des Einkommens auf den Bedarf der Kinder und der Eltern gibt im Unterhaltsrecht. Angewendet wird dies für getrennte Familien, aber die Bedarfsermittlung beruht zunächst auf der Leistungsfähigkeit der Familien vor der Trennung. Auf Basis der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle könnte man also die Größenordnung aufzeigen, welchen Einkommensanteil unser Rechtssystem im Mittel den Kindern als Bedarf zuordnet. Daraus könnte man dann ableiten, in welchem Maß dieser Einkommensanteil durch Rentenbeiträge belastet wird.[2]

Aus Kostengründen wird sich eine Reform allerdings eher an der unteren Grenze des Versorgungsanteils für die Kinder bewegen müssen. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass bei einem Paar mit einem Kind ein Sechstel des Nettoarbeitseinkommens dem Bedarf des Kindes zugeordnet wird.

Eine einfache Herangehensweise wäre es, bei Paaren mit einem Kind ein Sechstel des Arbeitseinkommens von Rentenbeiträgen freizustellen. Nachdem der Arbeitgeberbeitrag stets gleich sein sollte, würde also ein Drittel des Einkommens nicht mit Arbeitnehmerbeiträgen zur Rentenversicherung belastet werden. Dies soll am Beispiel eines Bruttoeinkommens von 1.800 Euro dargestellt werden:

Vorschlag

Gesamte Leistung = Arbeitgeber-Aufwand

Ein Kind

2.260 €

 

 

Arbeitgeber-Anteil Rentenversicherung

 

180 €

 

 

Arbeitgeber-Anteil übrige Sozialversicherung

 

180 €

 

 

Gehalt, brutto

1.800 €

 

 

Arbeitgeber-Anteil Rentenversicherung (2/3)

 

120 €

 

 

Arbeitgeber-Anteil übrige Sozialversicherung

 

180 €

 

 

Nettogehalt

 

1.500 €

 

 

Summe Sozialversicherungsbeiträge

 

660 €

(statt 720)

 

 

Im Beispiel würde also der Rentenbeitrag um 60 Euro niedriger ausfallen als bei voller Beitragserhebung.

Das Beispiel wurde so gewählt, dass die „Einsparung“ von 60 Euro gerade der ungerechtfertigten Belastung entspricht, wie sie in dem Zahlenbeispiel der ersten Tabelle ermittelt wurde. Beide Tabellen können dieselbe Familie vor und nach der Reform beschreiben. Ein Eigenaufwand im Beispiel von 240 Euro für ein Kind bei einem Einkommen von 1.800 Euro liegt sicherlich im Rahmen des Üblichen. Zusammen mit dem Kindergeld von 184 € beträgt der Versorgungsaufwand für das Kind dann 444 €, während sich die Eltern die übrigen 1.260 € teilen können. Sie verfügen dann über 630 € je Erwachsenem bzw. 42% mehr pro Kopf als das Kind.

Eine einfache und nachvollziehbare Regelung wäre es, wenn

·         bei Paaren mit einem Kind ein Drittel des Arbeitnehmeranteils des Beitrags zur Rentenversicherung entfällt und an den Arbeitnehmer ausbezahlt wird, bzw. insgesamt ein Sechstel des Einkommens freigestellt wird

·         bei zwei Kindern entfallen zwei Drittel des Arbeitnehmeranteils,,

·         bei drei und mehr Kindern entfällt der gesamte Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung.

Für den Arbeitgeberbeitrag bleibt die Zahl der Kinder irrelevant.

Dies wäre eine einfache Umstellung in einem bestehenden System an einer Stelle, die derzeit ungerecht und schlecht begründet ist. Natürlich wäre eine höhere Entlastung noch schöner, aber es handelt sich immerhin um einen Einstieg. Die den Familien zustehenden Beträge hängen nicht vom Verlauf der Steuerprogression ab, daher ist diese Reform leichter umsetzbar als ein Familiensplitting bei der Einkommensteuer.

 

Zwei Aspekte sind besonders zu beachten:

·         Natürlich entgehen dem Rentenversicherungssystem zunächst Einnahmen, nämlich in Höhe von ca. 3,3%, 6,7% bzw. 10% des Bruttogehalts der Familien mit Kindern. Bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von 1,4 und eine begrenzten „Verweildauer“ der Kinder bei den Eltern könnte das im Mittel eine Beitragseinbuße von gut 2% des Bruttogehalts aller Arbeitnehmer ergeben, bzw. knapp 2% bezogen auf den Bruttoarbeitsaufwand der Arbeitgeber. Dies ist eine beachtliche Entlastung für die Familien und natürlich muss hierfür ein fiskalischer Ausgleich geschaffen werden.

o       Dies könnte teilweise durch Minderungen der nominellen Rentenzuwächse und andere Einsparungen in der Rentenversicherung aufgefangen werden. Der größere Anteil muss aber durch zusätzliche Einnahmen bzw. Ausgabensenkungen an anderer Stelle erwirtschaftet werden.

o       Soweit Arbeitnehmerhaushalte durch diese Entlastung gerade die Bedarfssätze gemäß SGB II (Hartz 4) überschreiten, kommt ihnen die Entlastung nur anteilig mit dem übersteigenden Anteil zu Gute. Wer mit seinem Arbeitseinkommen trotz etwas geringerer Abzüge weiterhin unterhalb der Hartz 4-Grenze liegt, bekommt per Saldo nicht mehr. Dies wird einen kleinen Teil des Gesamtbetrags refinanzieren.

o       Zum fiskalischen Ausgleich könnte  u.a. auch eine geringfügige Anhebung des Regelbeitrags gehören, bzw. der Verzicht auf eine Absenkung auf 19%.

o       Die an anderer Stelle erwirtschafteten Mehreinnahmen des Fiskus werden zu einem Teil von Haushalten mit Kindern selbst getragen werden (was die Entlastungswirkung etwas mindert), zum größeren Teil aber von Kinderlosen. Damit wird im Prinzip die gleiche Verteilungswirkung erreicht wie mit einer „Sonderabgabe“ für Kinderlose. Die Verteilungswirkung kommt aber in Gestalt einer gerechteren Behandlung und Entlastung der Eltern daher und nicht in Form einer diskriminierenden Sondersteuer für Kinderlose.

o       Zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen könnte bei Eltern mit Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze eine modifizierte Berechnung erfolgen, so dass bei recht hohen Einkommen der bisherige Höchstsatz der Rentenbeiträge (in €) auch von Paaren mit Kindern erhoben wird. Dazu würde die Beitragsbemessungsgrenze nicht auf der Ebene des gesamten Gehaltskommens berücksichtigt  also durch die Reform keine Entlastung zustande kommt.

o       Zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen könnte bei Ehepaaren bzw. kinderlosen Ehepaaren eine Art Splittingverfahren eingeführt werden, was zur Folge hätte, dass bei einem Einkommen eines Partners deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze die Beiträge insgesamt den Wert erreichen, der sich sonst in der Summe von zwei Einkommen in Höhe mindestens der Beitragsbemessungsgrenze ergibt. Infolge des regressiven Verlaufs der Sozialbeiträge führt ein derartiges Splittingverfahren in der Sozialversicherung zu höheren Beiträgen in der Sozialversicherung als das bisherige System; dies kompensiert somit einen Teil des Splittingvorteils in der Einkommensteuer, der dort die Folge eines progressiven Tarifverlaufs ist. [Eine Abschaffung des Splittingverfahrens wird hier abgelehnt, da dieses aus steuersystematischen Gründen gut begründet ist, zudem würde dies auch wieder gerade Familien treffen.]

o       Zwischen Arbeitslosen- und Krankenversicherungen mit ihren Überschüssen einerseits und der Rentenversicherung andererseits könnten Beitragssätze umgeschichtet werden; das ginge dann zu Lasten der Rücklagenbildung bei ersteren.

o       Prinzipiell möglich wäre eine mäßige Senkung des Kindergelds (bzw. der Verzicht auf eine Anhebung) und der Kinderfreibeträge, was einen Teil der Verteilungswirkung der Reform kompensieren würde. Dies könnte man in Betracht ziehen, wenn sonst die Mittel für eine „runde“ Reform der Rentenbeiträge fehlen und per Saldo allen Arbeitnehmer-Eltern ein Vorteil verbleibt, wäre aber sicherlich nicht Teil eines ersten Vorschlags.

o       Bei Familien mit Kindern ist mit einer höheren Ausgabenneigung zu rechnen als bei Kinderlosen, die mehr Geld zum Sparen übrig haben, so dass das umverteilte Einkommen auch die Wirtschaft ankurbelt und wenigstens zu höheren Umsatzsteuer-einnahmen führt. Einem Teil der Familien wird der zusätzliche Geldsegen den Erwerb von Wohneigentum ermöglichen und dadurch in besonderem Maße die Konjunktur ankurbeln.

o       Falls andere europäische Länder die Konsolidierung der Haushalte ernst nehmen und damit die Wirtschaft abbremsen wäre ein etwas höherer Verschuldungspfad in Deutschland unter konjunkturellen Gesichtspunkten vorübergehend hinnehmbar.

o       In einem Wahljahr sind finanzielle „Wohltaten“ mit Breitenwirkung am ehesten durchsetzbar. Ihre Einführung mindert zudem den finanziellen Spielraum der Folgeregierung und damit die Möglichkeiten für seriöse Wahlversprechen der Opposition.

 

·         Die niedrigeren Rentenbeiträge der Familienhaushalte gemäß diesem Vorschlag führen auf lange Sicht zu niedrigeren Rentenansprüchen der „ehemaligen“ Eltern. Die Rentenansprüche der kinderlosen Haushalte dagegen sollen durch die Reform grundsätzlich unverändert bleiben.

o       Damit wird ebenfalls ein Beitrag zur langfristigen Stabilisierung der Sozialversicherungen geleistet. Damit wird eine ähnliche Wirkung erreicht, wie sie mit der „Demografie-Reserve“ im Vorschlag der jungen Gruppe beabsichtigt war. Statt einer externen Fondslösung – bei der eine Rücklage womöglich durch den Kauf von Staatsanleihen gebildet würde, die dann nach Jahrzehnten wieder freigegeben würden – wird direkt der Finanzbedarf der Sozialversicherung gemindert. Eine Fondslösung bietet bei gleichzeitig fortschreitender Staatsverschuldung nur einen scheinbaren Konsolidierungsbeitrag. 

o       Insofern besteht ein Finanzierungsbedarf aus der Reform nur vorübergehend bis zum Rentenantritt dieser Elterngeneration. Danach korrespondieren die beitragsfreien Einkommensanteile mit niedrigeren Rentenzahlungen.

o       Die geringeren Rentenansprüche bedeuten keine Schlechterstellung der Gruppe der Familien gegenüber der Gruppe der kinderlosen Rentner. Schließlich sollen die Rentenansprüche der Kinderlosen unverändert bleiben – ihre Renten werden mit und ohne Reform von der erwachsen gewordenen Kindergeneration aufgebracht.  Allerdings gibt es nur innerhalb der Gruppe der Familien auf lange Sicht eine gewisse Umverteilung, weil die (ehemalige) Kindergeneration weniger Lasten für die (ehemalige) Elterngeneration aufbringen muss. Dieser Vorteil wird dann aber wiederum denjenigen zufließen, die die Enkelgeneration aufziehen.

o       Es ist angemessen, wenn sich die spätere Rente an dem orientiert, was die Eltern während ihrer Berufstätigkeit für ihren eigenen (!) Bedarf verwenden konnten, nicht an dem Bedarf der gesamten Familie.

o       Man könnte nun einwenden, die heutige Elterngeneration würde sich nach Auszug der erwachsenen Kinder daran gewöhnen, das gesamte Einkommen für den eigenen Bedarf zu verwenden. Mithin müsste sich auch die  Rentenhöhe daran orientieren, und nicht an dem niedrigeren Pro-Kopf-Einkommen der Familie, als die Kinder noch im Haus waren. Dafür wäre durch entsprechende Beiträge vorzusorgen, was Rentenbeiträge auf das gesamte Gehalt wie in der gegenwärtigen Regelung rechtfertigt.
Diese Überlegung mag für die heutige Rentnergeneration zugetroffen, bei der die Frauen oft mit Anfang 20 Kinder bekamen, viele Kinder mit 20 Jahren wirtschaftlich selbständig waren und viele Eltern danach noch 20 Jahre bis zum Renteneintritt hatten. Wenn die heutige Elterngeneration ihre Kinder oft mit Mitte 30 bekommt, bleibt nach 25 Jahren Ausbildungszeit der Kinder nur eine geringe Restdauer bis zum Renteneintritt der Eltern. Dies gilt besonders für die Lebensplanung von AkademikerInnen mit späterer Familiengründung und die Eltern von studierenden Kindern. Es bleibt also nur noch wenig Zeit bis zum Rentenantritt, in der sich die Eltern an ihr höheres Pro-Kopf-Einkommen gewöhnen könnten, das nicht mehr mit den Kindern geteilt werden muss. In den Jahren bis zum Rentenantritt wird vielmehr ein größerer Einkommensteil für die private Altersvorsorge benötigt. Nebenbei gäbe es ja die geringfügig größere Belastung für die wieder „kinderlosen“ Eltern von Erwachsenen infolge der vollständigen Beitragsabzüge.

o       Der Vorschlag der jungen Gruppe verschont die unter 25-jährigen Kinderlosen und auch die (Doppel-) Verdiener, deren Kinder bereits aus dem Haus sind, von der angedachten Sonderabgabe. Vorstehender Vorschlag konzentriert dagegen die unterschiedliche Behandlung auf die Frage, ob momentan Kinder im Haus sind und vermeidet eine willkürliche „Altersgrenze“. Die Besserstellung kommt gezielt den Eltern in der Zeit zugute, in der sie Kinder großziehen.

 

Die etwas komplexere Beitragserhebung bzw. -rückerstattung könnte ggf. durch eine Abrechnung am Jahresende auf Ebene der Finanzämter erfolgen. Ein gewisser zeitlicher Versatz bis zur Rückerstattung an die Familien wäre hinnehmbar, weil die Regelung ja neu eingeführt würde und die so begünstigen Familien bislang ohne diese Beträge ausgekommen sind. Bei Alleinerziehenden könnte die Entlastung des „anderen“ Elternteils auf diese Weise der/dem Alleinerziehenden gutgeschrieben werden (in einigen Fällen ergäbe sich anteilig eine Verrechnung mit Unterhaltszahlungen oder mit Leistungen nach SGB 2/Hartz 4 an die Alleinerziehenden).

Die Regelung sollte in eine gerechte Gesamtlösung für junge Erwachsene in der Ausbildung/Studium eingebettet werden. Eine übermäßige Entlastung der Studentenfamilien (mit Entlastung sowohl der Eltern wie auch der Heranwachsenden bei Jobs als Werkstudent) sollte vermieden werden. Im Vergleich zum bisherigen Status quo wäre bereits eine Entlastung bloß der Eltern von minderjährigen Kindern eine große Verbesserung. Eine einfache Altersgrenze ohne Besonderheiten für Studenteneltern wäre auch unbürokratischer.

Bei den Minijobs bräuchte man nichts ändern.

Laut Koalitionsvereinbarung von 2009 auf Bundesebene ist es „Ziel dieser Koalition, die wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit der Familien weiter zu stärken“ (III. 1). Betont wird gleichzeitig die grundgesetzlich gewährleistete Verantwortung der Eltern, für ihre Kinder zu sorgen. Beides kann am besten gewährleistet werden, wenn die Eltern einen größeren Teil ihres selbst erwirtschafteten Einkommens behalten und für die Versorgung der Familie einsetzen können.

Weiterhin heißt es dort zur „Verbesserung der Kindererziehung in der Alterssicherung“ bei der Rentenversicherung (III .8, Seite 84): „Wir werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten prüfen, wie wir die familienpolitische Komponente stärken und deshalb Erziehungsleistungen in der Alterssicherung noch besser berücksichtigen können“. Genau dies wird mit vorliegender Entlastung der Familien erreicht. Zusätzliche, nicht finanzierbare und nicht beitragsäquivalente Versprechungen für Rentner (statt für Familien), die früher einmal Kinder zu versorgen hatten, werden dagegen vermieden.



[1] Die kostenfreie Mitversicherung der Kinder ist aber auch keine reine familienpolitische Wohltat.
Man könnte – zu Zwecken der Analyse – nur das für den Lebensstandard der Eltern verwendete Einkommen dem normalen Krankenkassenbeitrag unterwerfen. Die Eltern erhielten dann die gleichen Krankenkassenleistungen wie alle anderen und zahlten denselben Beitrag wie kinderlose Arbeitnehmer mit demselben pro-Kopf-Haushaltseinkommen.
Würde man nun den Familien die Möglichkeit geben, aus dem für die Kinder verwendeten Gehaltsanteil eine private Krankenversicherung für die Kinder abzuschließen, wäre das für viele billiger als der auf diesen Gehaltsanteil entfallende Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung. Schließlich werden Kinder nicht allzu oft krank oder haben jedenfalls preiswertere Erkrankungen, könnten also relativ günstig privat krankenversichert werden. Entsprechend niedrig ist der Behandlungsaufwand in der gesetzlichen Krankenkasse.
Beispiel: Unterhaltsaufwand aus Gehaltseinkommen für das Kind 400 Euro, korrespondierender Anteil am Bruttoeinkommen vor Einkommensteuern 600 Euro bei einem Grenzsteuersatz der ESt von 33%, Krankenkassenbeitrag 15% = 90 Euro – also mehr, als der Aufwand der gesetzlichen Krankenkassen für Kinder. In dieser Sichtweise stellt die Familienversicherung also keine Subvention für die Familien dar, sondern führt für viele Familien zu einer höheren Belastung. Ein Teil der indirekt auf die Kinder entfallenden Beiträge der Krankenkassen wird so zur Deckung von deren Alterslasten verwendet (alte Versicherte werden öfter und teurer krank als junge).

[2] Meiner Meinung stellt die Düsseldorfer Tabelle gerade bei höherem Familieneinkommen den Bedarf der Kinder zu niedrig dar. Vielleicht war das früher anders als heute.